Verlust und Neubeginn

 

Schwülwarme Spannung liegt in der drückenden Luft. Mein ganzer Körper ist schmerzhaft verkrampft. Ein wahnsinniger, zerstörerischer Sturm peitscht Himmel und Erde, Wolkenfetzen rasen über das bedrohlich verdunkelte Firmament. Der Jüngste Tag scheint gekommen.

 

Plötzlich – verstummt der Wind und hoch-droben im Gewölk wird eine Ansammlung von Menschen sichtbar. Schreiend, weinend, verstummt, entsetzt, gleichgültig, erwartungsvoll sind sie für ein Schauspiel versammelt.

Landsknechte nageln einen nackten jungen Mann mit kräftigen Hammerschlägen an ein großes Holzkreuz; dann richten sie es auf. Ein Schrei geht durch die Menge, ein Schrei voller Angst und Erwartung. Das Blut des Gekreuzigten läuft über seinen nackten Körper und tropft von seinen Füßen auf die tief unten liegende Erde, wo es ich in ein leuchtendes Meer riesiger roter Rosen mit blutenden Dornen verwandelt.

 

Das Blut sammelt sich in einem länglichen See. Drumherum wachsen hohe, schmale, tiefgrüne Zypressen umgeben von einer hellgrünen saftigen Wiese. Ein Sturm kommt wieder auf und peitscht wütend Zypressen, See, Wolken und Erde. Eine wilde Musik ertönt begleitet Erlkönigs nackte Töchter, die zwischen den Zypressen einen wilden, verlockenden Reigen tanzen. Nackte Walküren galoppieren wild auf schnaubenden wiehernden Rossen mit verführerisch wehenden Haaren durch tiefliegendes Gewölk. Trolle greifen gierig nach ihnen und ziehen sie von ihren Rossen. Wolken umarmen und durchdringen sich, werden weggestoßen von durch die Luft reitenden langnasigen, häßlich-schönen Hexen, die sich mit ihren Zauberstäben in warmblütige, rotlippige, nackte Mädchen mit lockenden Brüsten verwandeln.

 

Erste Blitze zucken auf, schon gefährlich nah und werfen ihr zuckendes Licht auf die nackten eng verknoteten Gestalten. Die Spannung in der Luft steigt ins Unerträgliche. Ein lauter Schrei ertönt „Vater warum hast du mich verlassen“. Dann zerreißt ein wahnsinniger Donnerschlag den ganzen Himmel; ein sintflugartiger Regen stürzt herab und kühlt die zuckenden Gestalten auf ein menschliches Maß.

 

Ich wache auf, mein Körper ist entspannt, mein Bauch ist nass, meine Schlafanzughose ist nass, Angst und Scham überschwemmen mich.

                Was wird Mutter sagen?

                Mutter sagt – nichts

                Was wird Vater sagen?

                Vater sagt – nichts, weil er nicht da ist.

Was hätte er gesagt?

                „Willkommen im Club mein Sohn“, hätte er sicherlich  gesagt und        

                mir einen Ritterschlag auf die Schulter gegeben.

                „Jetzt sind wir zwei Männer im Haus – schön

                Aber mach es nicht zu oft. Einmal am Tag ist o.k.“

 

Schade, daß er es nicht gesagt hat.

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